Dies ist das Abenteuer von Cleopatra, einer vierjährigen Chihuahua-Hündin. Ja, genau, so ein Taschenhündchen, wie viele meinen, denn die Rasse wird von den meisten Leuten unterschätzt. Cleopatra ist ein Langhaar-Chihuahua in Black and Tan und kennt Betitelungen wie Krümel, Fußhupe und Ratte. Wobei dieses noch die netteren Bezeichnungen sind. Von Frauchen und Herrchen wird sie liebevoll Cleo genannt. War in der Hundeschule und macht Sitz, Platz, Stopp und lauter andere Befehle und Kunststücke. Sie hat gelernt, wenn sie hört, darf sie ohne Leine laufen. Mal ehrlich, was gibt es Schöneres als ohne Leine laufen? Den Weg vorzusprinten, zuschauen und schnuppern, ohne dass es an einem ruckt. Cleo liebt diese leinenlosen Ausflüge mit ihren Herrchen, so wie jeder Hund.
Es ist ein wunderschöner, trockener Herbsttag und deshalb fährt am Nachmittag das Frauchen mit Cleo zum Gassi in den nächsten Wald. Über eine Stunde laufen sie, wie jeden Nachmittag, durch traumhaft gefärbte Buchen und Eichen. Alles riecht so herrlich nach Laub und Pilzen. Cleo versucht, einige Blätter zu fangen, mit denen der Wind spielt, unter den lachenden Augen von Frauchen. Auch den einen oder anderen Hund mit Herrchen oder Frauchen treffen die beiden. Dann wird vorsichtig geschnüffelt und anschließend um die Wette markiert. Ach, wie herrlich kann doch so ein Hundeleben sein. Als der Weg durch Kiefern führt, bleibt Cleo erst ganz nah bei Frauchen. Es ist unter ihnen irgendwie so düster und unheimlich, findet Cleo. Doch dann hat sie etwas sehr Interessantes gerochen und schon geht sie mit der Nase wieder am Boden entlang, immer der Spur folgend. Nur, im Wald sind viele Spuren und sie kreuzen und überlagern sich. Wo ist denn nun meine von eben? Da schrillt ein kurzer Pfiff von Frauchen durch den Wald und Cleo folgt sofort.
Als sie nach ihrer Runde wieder beim Parkplatz ankommen, dämmert es bereits. Noch ein Frauchen ist auf dem Parkplatz, grüßt freundlich, während sie zum Kofferraum geht und ihn öffnet. Plötzlich schießt ein schwarzer, großer Hund wild und ausgelassen mit lautem Bellen auf sie zu. Cleo erschrickt so sehr, dass sie wegläuft, geradewegs zurück in den Wald. Gefolgt von dem schwarzen Wirbelwind und den Rufen von Frauchen und Frauchen. Doch Cleo hat Angst, stehen zu bleiben, sie ist schon mal von einem Großen überrannt worden und erinnert sich noch gut an die Schmerzen. So rennt sie durchs Gebüsch und immer weiter. 'Autsch, was war das denn? Die Sträucher haben ja Dornen.' Aber Cleo rennt weiter und weiter, viel zu groß ist die Angst. Der schwarze Wirbelwind bleibt indes vor den Brombeersträuchern stehen, er scheint ihre Bekanntschaft schon gemacht zu haben. Doch das merkt Cleo nicht, sie rennt und rennt, die Rufe von Frauchen werden immer leiser und leiser, bis sie schließlich ganz verstummen. Sie merkt auch nichts von den verzweifelten Versuchen ihres Frauchens, durch die Brombeersträucher zu folgen oder andere Wege zu ihr zu finden. Cleo läuft immer weiter hinein in den Wald, bemerkt einen Schatten, der über den Bäumen gleitet, ein Rascheln im Gebüsch und läuft weiter. Bis sie völlig erschöpft ist, einen umgestürzten Baum sieht und sich darunter verkriecht. Sie ist völlig außer Atem, schaut sich um, aber nichts ist zu sehen, außer Bäumen und Blättern. Der Baum strahlt irgendwie Wärme aus, hier ist sie sicher. Erst als sie sich beruhigt hat, merkt sie die Schmerzen an der Brust. Die Brombeersträucher haben ihre Spuren hinterlassen. Es blutet etwas und Cleo beginnt, ihre Wunde zu lecken. Ob sie vielleicht mal schaut, wo Frauchen ist? Vorsichtig streckt sie ihre Nase raus. Von überall kommen unbekannte Geräusche. Plötzlich gleitet wieder am Himmel lautlos ein Schatten vorüber. Cleo huscht schnell wieder unter den Baumstamm. `Besser, ich bleibe in Sicherheit. Frauchen wird mich schon finden, sie findet mich immer.´ Sie ist müde und erschöpft, alles ist fremd. Sie rollt sich ein und versucht zu schlafen.
Auch auf dem Parkplatz herrscht immer mehr die Nacht. Die Frau war mit ihrem Wirbelwind eine Runde laufen und nun steht sie bei Frauchen und gibt ihr eine Menge gut gemeinter Tipps. Frauchen brummt der Schädel. Als Frauchens Freunde und ihr Mann eintreffen, verabschiedet sich die freundliche, sorglose Hundehalterin mit dem Wirbelwind und den Worten „Die Kleine kann ja nicht weit sein“. Die Autoscheinwerfer lässt man an und einer bleibt auf dem Parkplatz. Der Rest geht mit Taschenlampen die Wege ab. Doch es ist aussichtslos, so ein kleines schwarzes Fellknäuel im dunklen Wald mit einer Taschenlampe zu finden. Genauso wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Wer weiß, wie weit Cleo gelaufen ist oder noch läuft? So wird nach einiger Zeit die Suche abgebrochen und die Autos fahren nach Hause. Man will am nächsten Tag wieder kommen und bei Tageslicht weiter suchen. Alle gehen schlafen, doch Frauchen findet keinen Schlaf. So steht sie wieder auf und schaltet den PC ein. Sie muss irgendetwas tun. Setzt sich und schaut ins Internet. Sie sucht Informationen über den Wald und seine Bewohner, dann landet sie schließlich irgendwie in einem Forum für Kleinhundebesitzer. Sie liest, dass auch andere die gleichen Probleme und Freuden mit ihrem kleinen Hund haben. Sie fühlt sich verstanden und nach einer kurzen Anmeldung schreibt sie, was ihr heute passiert ist. Danach fühlt sie sich etwas besser. Geht in die Küche und macht sich einen Kakao. Kakao macht immer so schön müde, denkt sie. Was ihre Cleo wohl macht? Ob sie verletzt ist oder sogar … „Nein! Das darf ich nicht mal denken.“ Ihr Blick wandert zu Cleo´s Körbchen und die Tränen schießen ihr in die Augen. “Nein, so was darf ich nicht denken!“ Sie wischt die Tränen weg und schüttelt ihren Kopf, als wenn sie die Gedanken abschütteln will. Geht zum Sofa mit ihrem Kakao, um nur kurz die Beine hochzulegen. Der PC ist noch an, sie möchte gleich weiter lesen. Nimmt einen Schluck Kakao und zieht die Wolldecke über sich, da ihr kalt wird. Eben kurz aufwärmen …
Cleo schreckt hoch, eine feuchte Nase hat sie berührt. Als Cleo ihren Kopf ausstreckt, um sich das Tier näher anzusehen, ist dessen Nase auf einmal verschwunden. 'Autsch, das Fell besteht ja aus Stacheln.' In der Nähe raschelt es und einige Tiere rennen vorbei. Cleo rollt sich wieder ein.
Eine Tür klappt, Herrchen kommt ins Wohnzimmer. Frauchen schreckt hoch, nach einem kurzen, unruhigen Schlaf. Er sagt, dass er sich heute frei nimmt, um mit zu suchen, und geht in die Küche Kaffee kochen. Der PC hat Nachrichten für sie. Man hat im Forum von ihrer Not gelesen und einige wichtige Informationen für sie. Sie nimmt sich einen Block und schreibt alles auf:
1. Flugblätter machen und im Umkreis verteilen bzw. in Supermärkten, um den Wald aufhängen, bei den Tierärzten und Tierheimen der Umgebung 2. Tasso informieren/anrufen, sowie Polizei, Feuerwehr 3. Förster, evtl. Pächter des Waldes informieren/anrufen
Frauchen bedankt sich für die Information und macht sich gleich an die Arbeit.
Auch im Wald erwacht der Tag. Plötzlich schnuppert wieder etwas an ihr. Sie öffnet die Augen, doch der kleine stachelige Kerl ist verschwunden und ein Rotfuchs steht vor ihr. Sie erschrickt, genau wie der Fuchs, der ein Schritt zurückweicht und zu knurren beginnt. Cleo stellt sich hin, kommt etwas vor und knurrt zurück. Er scheint kurz irritiert, doch dann schnappt er nach ihr. Das ist zu viel. Cleo flitzt davon, wieder durch Sträucher und um Bäume herum. Einfach nur weg. Sie hat keine Ahnung, wo sie hinläuft, in diesem Teil des Waldes war sie noch nie. Sie fühlt sich hungrig und durstig. Cleo findet ein paar Käfer und anderes Krabbeltier zum Fressen, nicht viel, aber immerhin. Eine Maus versucht sie zu fangen, doch leider ist diese sehr schnell. Sie lauert noch einige Zeit vor dem Mauseloch, doch dann gibt sie auf und läuft weiter. Immer mit der Nase am Boden, denn es riecht alles so gut hier. Sie findet eine Mooslandschaft unter einigen Tannen und kuschelt sich in das herrliche Grün. `Fast wie meine Kuscheldecke zu Hause´, denkt sie und steckt die Nase ins duftende Moos. Plötzlich beginnt es zu regnen. Cleo hasst Regen und sucht Schutz unter einer dichten Tanne. Ein Geräusch kommt oben aus der Tanne. Sie ist dort nicht das einzige Tier, das Schutz sucht. Über ihr, in den Ästen, sitzt ein Taubenpaar. Der Regen wird stärker, doch die Tanne schützt sie. Der trockene Boden unter der Tanne ist übersät mit braunen Tannennadeln. Cleo dreht sich ein und schläft ein wenig. Es regnet den ganzen Nachmittag und erst zur Dämmerung hört es wieder auf. Cleo streckt sich, sie hat immer noch Hunger und Durst. Dann erschrickt sie, Flügelschlagen über ihr, doch es ist nur das Taubenpaar, das davon fliegt. Sie läuft los, auf der Suche nach Wasser und etwas gegen ihren Hunger. Der Boden im Wald ist triefend nass, sie hasst es, doch Hunger und Durst sind größer. Nach kurzer Zeit hört sie ein Plätschern. Sie folgt ihm und findet einen kleinen Fluss mit klarem Wasser.
Während Frauchen die Flugblätter druckt, ruft Herrchen bei allen auf der Liste an. Der Förster rät davon ab, die kleine Cleo mit vielen Leuten im Wald zu suchen, sie sei vor Schreck weggelaufen, sie würde sich nur verstecken oder noch weiter laufen. So fahren Herrchen, Frauchen und die Freunde los, um die Flugblätter überall zu verteilen. Frauchen hat die Flugblätter noch in Klarsichthüllen gesteckt, falls es anfängt zu regen. Was sich als sinnvoll herausstellt, denn es fängt tatsächlich an zu regnen.
Jeder der Helfer bekommt ein Gebiet, wo er in Supermärkten, beim Tierarzt, im Tierheim bis hin zu dem Wald, in dem Cleo herumirrt, die Flugblätter verteilt. Um den Wald herum, auch auf dem Parkplatz, legt Frauchen immer mal ein T-Shirt von sich und Herrchen aus. Den Tipp hat sie aus dem Hundeforum. Sie hofft, dass Cleo es riecht und darauf Schutz sucht. Förster und Jäger versprechen die Augen und Ohren offen zu halten und bei Sichtung der kleinen Cleo sofort über Handy anzurufen. Herrchen und Frauchen bedanken sich bei den Freunden für ihre Hilfe und verabschieden sich von ihnen. Sie selbst gehen noch durch den Wald, rufen ab und zu nach Cleo und horchen, ob sie ihr Bellen hören. Doch nichts und als es dunkel wird, fahren sie nach Hause. Die Nächte werden schon sehr kalt, der Winter ist nicht mehr weit, denkt Frauchen. “Cleo hat zwar schon dickeres Fell bekommen, doch so ein kleiner Körper kühlt doch sehr schnell aus“, meint Frauchen. Sie isst keinen Bissen, erst als Herrchen mit ihr schimpft, dass Cleo von einem kranken Frauchen nichts hat, zwingt sie sich, etwas zu essen.
Am Flussufer bemerkt Cleo ein paar Krabbeltiere und frisst sie. Ihre großen Ohren hören in der Nähe ein Piepsen. Sie folgt langsam dem Piepsen der Mäuse. In einem Erdwall mit unzähligen Löchern toben die Mäuse ausgelassen herum. Diese Unvorsichtigkeit kommt Cleo zugute und zack, hat sie sich eine geschnappt. An diesem Abend frisst sie das erste Mal eine Maus. Es ist nun schon ganz schön dunkel im Wald und Cleo ist müde. Wenigstens hat sie ihren Hunger und Durst stillen können, aber wo soll sie schlafen? Es ist kalt und alles ist nass im Wald. Wo ist eigentlich die Schutz spendende Tanne geblieben? Oder das kuschelige Sofa? Cleo läuft immer weiter, auf der Suche nach einem trockenen Platz zum Ausruhen. Sie schreckt zusammen, wieder fliegt ein Schatten über ihr hinweg, begleitet von den Todesschreien einer Maus. Da hat noch einer Glück gehabt und einer nicht aufgepasst. Plötzlich riecht es nach Mensch. Sie geht der Spur nach und findet eine Art Körbchen, nur auf Stelzen. Wie soll sie da hoch kommen? Cleo untersucht es unten genauer. An den Seiten gehen die Bretter bis nach unten. Hinter einer Wand hat sich trockenes Laub gesammelt. Cleo schiebt alles mit ihrer Nase ein wenig zurecht und lässt sich müde darauf nieder............